Mal eben Brötchen beim Bäcker um die Ecke holen, einen Stadtbummel in der Innenstadt machen oder die Wohnung sauber putzen. Eigentlich ganz alltägliche Dinge, die nicht der Rede wert sein sollten. Doch mit einer Behinderung können gerade diese Kleinigkeiten zur Herausforderung werden. In der mehrteiligen Serie „Blind im Alltag“ zeige ich euch, wie man ohne sehen zu können die kleinen und großen Hürden des Alltags meistern kann und wo man wegen der Behinderung an seine Grenzen stößt.
Im zweiten Teil geht es um die ThemenPutzen und sonstige Haushaltsführung.
Können Blinde Menschen selbständig ihre Wohnung sauber halten? Wie lesen sie ihre Post? Und wie ist es mit Wäsche waschen und sortieren? Diese und noch weitere Fragen werden im folgenden Artikel beantwortet.
Putzen
Das Thema Putzen zählt für blinde Menschen zu den größeren Herausforderungen im Alltag. Die Problematik liegt darin, dass blinde Menschen einerseits nicht immer herausfinden können, ob die Wohnung gerade besonders dreckig ist oder nicht. Andererseits ist es schwer zu kontrollieren, ob eine geputzte Fläche bereits sauber ist oder nicht.
Der erstgenannten Herausforderung kann man durch regelmäßiges Putzen der Wohnung vorbeugen. Liegt in einer Wohnung relativ viel Staub oder sonstiger Dreck lässt sich dieser relativ gut erfühlen beziehungsweise erspürt werden, wenn man durch die Wohnung läuft. Auch besonders klebrige Stellen lassen sich gut von blinden Menschen herausfinden und beseitigen. Der „normale“ Dreck hingegen ist für blinde Menschen weitaus schwieriger aufzuspüren. Hier hilft dann nur das Putzen und sauber machen auf Verdacht.
Viel schwieriger ist es herauszufinden, ob der Boden nach dem Putzen wirklich sauber geworden ist, oder ob man um die dreckigen Stellen herum gewischt hat, Eine Methode, die blinden Menschen garantiert, dass der Bodenbeim Putzen definitiv komplett sauber wird gibt es nicht. Jedoch kann man sich bestimmte Techniken aneignen, um möglichst viele Stellen auf dem Boden zu erreichen. Beispielsweise kann man einen Raum gezielt in mehreren Bahnen von vorne nach hinten Wischen. So kann man ziemlich sicher sein, dass man über die meisten Stellen darübergewischt hat.
In speziell für blinde Menschen entwickelten Schulungen kann man sich bestimmte Techniken für alltägliche Aufgaben wie Putzen oder Kochen antrainieren lassen. Dieses Training inlebensprakktischen Fähigkeiten wird von extra geschulten Personal durchgeführt und wird in der Regel von der Krankenkasse oder anderen sozialen Trägern finanziert. Für blinde Menschen bietet eine solche Schulung die Möglichkeit bestimmte Herausforderungen im Alltag selbstständig zu meistern.
Da aber selbst die beste Methode und das beste Training keine saubere Wohnung gewährleisten kann hohlen sich viele Blinde sehende Hilfe beim Putzen. Viele empfinden die Ungewissheit, ob ihre Wohnung ausreichend sauber ist als unangenehm und wollen sicher gehen, dass die eigenen vier Wände regelmäßig ausreichend gesäubert werden. Oftmals finden blinde Menschen Unterstützung in der Familie oder im Freundeskreis. Falls dies nicht der Fall ist besteht die Möglichkeit eine Haushaltshilfe zu engagieren, die unteranderem beim Putzen behilflich sein kann. Auch hier besteht die Möglichkeit, dass eine solche Assistenz von sozialen Trägern finanziert wird. Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit besteht im monatlichen Blindengeld, welches blinde Menschen erhalten, um durch die Blindheit verursachte Mehrkosten abzudecken. Die Höhe des Blindengeldes variiert teilweise erheblich zwischen den einzelnen Bundesländern. Tendenziell ist die finanzielle Unterstützung in den westlichen Bundesländern wesentlich höher als in den östlichen Landesteilen.
Ein wenig einfacher ist es, wenn Flächen wie ein Tisch oder eine Arbeitsplatte gesäubert werden sollen. Einfacher deshalb, weil die zu putzende Fläche wesentlich kleiner und damit für blinde Menschen auch viel übersichtlicher ist, als ein großer Raum. Hier bietet sich die Möglichkeit, nach dem putzen über die Fläche zu tasten. Gibt es noch eine unsaubere Stelle kann diese ertastet werden und noch einmal gewischt werden. Mit dieser Taktik lassen sich auch relativ gut Fenster, Spiegel, Waschbecken oder Geschirr säubern.
Eine weitere Schwierigkeit besteht in dem Problem, dass blinde Menschen ohne weiteres nicht in der Lage sind herauszufinden, welches Putzmittel sich in welcher Flasche befindet. Viele Flaschen fühlen sich sehr ähnlich an und verfügen über keine Beschriftung in Blindenschrift. Diese kann aber von einer blinden Person nachträglich angebracht werden. Man kann sich aber auch ein bestimmtes System überlegen und die einzelnen Flaschen in einer bestimmten Reihenfolge im Schrank positionieren.
Generell lässt sich sagen, dass es ja immer auch Ansichtssache ist, ob eine Wohnung ausreichend sauber geputzt ist oder nicht. Viele blinde wissen, das Putzen für sie eine größere Herausforderung ist und sind damit zufrieden, wenn sie selbstständig regelmäßig ihre Wohnung putzen. Viele ist eine Wohnung, die vielleicht nicht jeden Tag vor Sauberkeit glänzt lieber, als eine blitz blanke Wohnung, die von jemand anderem geputzt wurde.
Wäsche waschen und sortieren
Beim Thema Wäsche waschen gibt es ebenfalls einige Herausforderungen, wenn auch nicht ganz so gravierende wie beim Putzen.
Die größte Herausforderung ist des Öfteren die Bedienung der Waschmaschine. Wie bereits im ersten Teil der Serie erläutert sind vor allem moderne Haushaltsgeräte für blinde Menschen kaum oder gar nicht bedienbar, da sie mit einem Touchscreen gesteuert werden müssen. Eine Bedienung mit gut fühlbaren Tasten und Knöpfen findet man in der Regel nur noch bei älteren Geräten vor. Hat man eine gut bedienbare Waschmaschine kann man diese mit Markierungspunkten so manipulieren, dass man auch ohne sehen zu können den richtigen Waschgang einstellen kann. Schwierigkeiten treten auch auf, wenn man die Wäsche vor dem Waschen nach 30°C- und 60°C-Wäsche sortieren möchte. Hier hilft oft nur das auswendig lernen.
Problematischer ist die Sortierung nach Farben. Um zu vermeiden, dass sich die Wäsche verfärbt ist es auch für blinde Menschen wichtig, darauf zu achten, dass die Wäsche nicht bunt gemischt in der Maschine landet. Hierfür gibt es spezielle Apps, die mithilfe der Kamera erkennen können, welche Farbe ein Kleidungsstück hat. Das Problem ist, dass diese Apps nicht immer besonders zuverlässig arbeiten und somit die Gefahr der Verwechslung besteht. Um die Wäsche grob zu sortieren reichen die Apps jedoch in der Regel völlig aus. Ansonsten kann man sich auch hier sehende Unterstützung suchen.
Ist die Wäsche erst einmal in der Waschmaschine gibt es keine größeren Herausforderungen mehr, die durch die Blindheit entstehen können. Das Aufhängen funktioniert bei blinden Menschen genauso gut wie bei sehenden Menschen. Auch das Zusammenlegen und Sortieren klappt ohne größere Schwierigkeiten. Das blinde Personen ihre im Kleiderschrank Wäsche in der Regel nicht nach Farbe sortieren versteht sich von selbst.
Verwalten der Post und anderen Dokumenten
Neben Putzen und Wäsche waschen gibt es noch weitere Aufgaben in einem Haushalt, die für blinde Menschen teilweise zu großen Hürden werden können. Eine solche Hürde ist zum Beispiel das Verwalten der eigenen Post. Briefe werden meistens in Papierform und in Schwarzschrift zugestellt. Heißt also in unbarrierefreier Form. Blinde Menschen stehen also vor dem Problem, dass sie ihre Post ohne Hilfsmittel oder Unterstützung nicht selbstständig lesen und beantworten können.
Was das Lesen betrifft gibt es mittlerweile einige Apps, die die Texte mit der Kamera des Smartphone einscannen können. Anschließend kann man sich den Text über den Screenreader vorlesen lassen. Ähnlich wie bei den Farberkennungsapps ist hier jedoch das Problem, dass die meisten Programme nur unzuverlässig Resultate liefern. Dies ist allerdings gerade bei wichtigen Briefen problematisch, da es wichtig ist, die Informationen aus der Post vollständig zu erhalten. Deshalb müssen blinde Menschen des Öfteren auch hier wieder auf die Unterstützung von sehenden Menschen zurückgreifen. Wenn es im Familien- oder Bekanntenkreis niemanden gibt, der diese Unterstützung leisten kann ist die Durchsicht der Post eine typische Aufgabe für eine Alltagsassistenz. Für viele ist die Inanspruchnahme einer Alltagsassistenz gerade beim Thema Postverwaltung unangenehm, da somit auch vertrauliche Informationen offengelegt werden können.
Schwierigkeiten gibt es auch, wenn Formulare ausgefüllt werden sollen. Anders als beim bloßem Lesen der Post gibt es hier noch keine App, die blinde Menschen hierbei unterstützt. Dies ist also nur mit sehender Hilfe möglich.
Einfache Antworten oder Anträge können dagegen von blinden Menschen selbstständig am Computer formuliert und ausgedruckt werden.
Abschließend lässt sich sagen, dass viele Aufgaben im Haushalt nur mithilfe von sehenden Menschen bewältigt werden können. Schulungen und die Aneignung von speziellen Techniken ermöglichen blinden zwar in einigen Punkten ein gewisses Maß an Selbstständigkeit, jedoch kommt man besonders beim Putzen und der Verwaltung von wichtigen Dokumenten oder der Post an seine Grenzen. Die Frage nach der Selbstständigkeit richtet sich allerdings auch im erheblichem Maße nach der Persönlichkeit . Es gibt Blinde Menschen, denen die Bewältigung des Haushalts wesentlich leichter fällt.
In wie fern man trotz der Hürden die Aufgaben selbstständig bewältigt oder Hilfe von sehenden Menschen in Anspruch nimmt hat zu guter letzt auch viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Es gibt die Möglichkeit eine Alltagsassistenz zu engagieren. Dies bedeutet jedoch, dass man sehr viel von seinem Privatleben einer fremden Person offenbaren muss. Sich den Herausforderungen zu stellen und sie weitestgehend selbstständig zu meistern ist für viele Blinde Personen auch eine Frage der Lebensqualitätund des Selbstwertgefühls.
Im dritten Teil der Serie „Blind im Alltag“ wird es um das Thema Mobilität und Orientierung außerhalb der Wohnung gehen.