Das runde Leder und ich: Ein Hobby, bei dem meine Blindheit keine Rolle spielt

Johannes mit Eintracht Trikot und Schal

Was machen blinde Menschen in ihrer Freizeit? Die Hobbys von Menschen mit einer Sehbehinderung sind so vielfältig und unterschiedlich wie die Menschen selbst.
Eines meiner Hobbys ist Fußball.

Im Zweiteiler „Das runde Leder und Ich: Ein Hobby bei dem die Blindheit egal ist“ geht es um Stadionbesuche, die Möglichkeiten ein Fußballspiel zu verfolgen ohne sehen zu können, Führungen durch Stadien und vieles mehr.

Fußball ist rasant, spannend und verbindet Menschen. Millionen Fans auf der ganzen Welt sind begeistert vom runden Leder und fiebern Woche für Woche mit ihrer Lieblingsmannschaft mit. Auch mich hat das Fußballfieber gepackt. Deshalb war ich vor wenigen Wochen in der Veltins-Arena, um das Spiel meiner Lieblingsmannschaft Eintracht Frankfurt gegen Schalke 04 zu sehen.
Ein Artikel über die schönste Nebensache der Welt und ein Hobby, bei dem ich meine Blindheit gut vergessen kann.

Es ist ein eher frischer Sonntagnachmittag Mitte Dezember. Eintracht Frankfurt tritt in der Fußball-Bundesliga auswärts bei Schalke 04 an. Für mich wird dieses Spiel etwas besonderes sein, denn ich werde das Spiel live im Stadion verfolgen. Schon seit einigen Jahren schlägt mein (Fußball)herz für die Frankfurter Eintracht und ich war schon des Öfteren bei Heimspielen in der Commerzbank Arena, um das Team live zu unterstützen. Aber meistens kann ich meine Mannschaft nur von zu Hause aus vor dem Radio oder Fernseher verfolgen.
Doch an diesem Sonntag ist es anders. Zum ersten mal werde ich ein Auswährtsspiel der Frankfurter Eintracht im Stadion verfolgen können. Und das in der Schalker Veltins-Arena, ein Stadion, welches nicht zuletzt wegen seiner Dachkonstruktion, welches bei schlechtem Wetter geschlossen werden kann ein ganz besonderes Erlebnis ist.
Und so geht es ausgerüstet mit einem Frankfurt-Schal in einem Kleinbus voller Schalke-Fans nach Gelsenkirchen. Dort bin ich mit einem guten Freund verabredet. Gemeinsam schauen wir uns das Spiel an.

Blick auf Spielfeld und Haupttribüne der Commerzbank Arena: Johannes besuchte am 15.12.2019 die Schalker Veltins-Arena

Die Atmosphäre in einem Stadion mitzuerleben ist das, was ein Stadionbesuch für mich so besonders macht. Und für dieses Feeling ist es auch egal, ob man sehen kann oder nicht.
Wenn bei einem Heimspiel der Eintracht kurz vor Anpfiff die Club-Hymne „Im Herzen von Europa“ gesungen wird und anschließend das bei allen Eintracht-Fans beliebte Lied „Schwarz-Weiss- wie Schnee“ erklingt ist es wohl für jeden Fan etwas besonderes, egal ob man etwas sehen kann oder nicht.


Auch die Schalke-Fans sorgen mit ihrer besonderen Stimmung für eine tolle Atmosphäre. Das fängt schon vor dem Spiel an, als alle Schalke Fans zunächst die Hymne der Bergfahrer „Glück auf, der Steiger kommt“ und anschließend ihre eigene Hymne singen. Als sich das Stadion beim Steigerlied erhebt, ist eine ganz besondere Stimmung zu spüren. Auch als Frankfurt-Fan, der eine lautstarke Unterstützung der Fans von den Heimspielen gewöhnt ist, muss man der Verbundenheit der Schalke-Fans mit der Bergsteigertradition des Ruhrgebiets Respekt zollen.

Aber blind Fußball schauen? Und dann auch noch live im Stadion? Für viele Menschen klingt das erst einmal etwas seltsam. Schließlich können blinde Menschen ja nicht sehen, wo sich gerade der Ball befindet und ob der Stürmer ein Tor geschossen hat.
Zwar kann ich das Spiel nicht mit eigenen Augen verfolgen, aber dafür gibt es andere Möglichkeiten das Spielgeschehen mitzubekommen.

In vielen Stadien gibt es spezielle Reporter, die den Spielverlauf für blinde Menschen kommentieren. Man bekommt vor dem Spiel Kopfhörer, mit denen man sich die Reportage während des Spiels anhören kann. Die Reporter sind bemüht die Spielzüge der Teams so genau wie nur möglich zu beschreiben. So sind auch blinde und sehbehinderte Fans immer über jede Aktion auf dem Platz informiert.

Das Spiel in der Schalker Veltins-Arena wird von zwei guten Reportern kommentiert. Die Reportage macht es möglich, dass sich mein Freund und ich über jede einzelne Aktion des Spiels austauschen können. Mein Freund sieht das Spiel; ich verfolge die Reportage.
Und so bekomme ich mit, wie sich von Anfang an ein Spiel entwickelt, indem Schalke die bessere Mannschaft ist. Die Zuschauer sehen oder hören zwar nicht besonders viele Torchancen, aber eine Schalker Mannschaft, die das Spiel kontrolliert. Und so kommt es kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit wie es kommen muss: Fehlpass eines Frankfurter Verteidigers in der eigenen Hälfte, der Schalker Stürmer Harit geht unbedrengt mit Tempo auf den Frankfurter Strafraum zu und spielt den Ball in den Lauf von seinem Teamkollegen Raman, der mit seinem Linksschuss ins lange Eck das 1:0 für Schalke erzielt. Tor Für Schalke; das ist die verdiente Führung.

Um uns herum singen, tanzen und feiern die Schalke-Fans ausgelassen. Die Stimmung im Stadion ist natürlich jetzt zumindest bei den Schalke-Fans gut. Die ohnehin schon lautstarke Unterstützung des Blau-Weisen Publikums wird nach dem Tor nochmal deutlich lauter und euphorischer. Besonders die berühmte Schalker Nordkurve, wo sich die hartgesottenen Fans befinden, machen mit ihren Sprechchören auf sich aufmerksam. Auch als Eintracht-Fan muss ich anerkennen, dass die Atmosphäre in der Veltins-Arena unglaublich ist.

Schalke führt und wird die Führung auch nicht mehr hergeben. Auch wenn die Eintracht nach dem Rückstand versucht den Ausgleich zu erzielen und nach einer roten Karte für den Schalker Torhüter fast 30min in Überzahl spielen darf. Der Sieg bleibt auf Schalke.

So verliert die Eintracht und mir bleibt immerhin die Hoffnung auf das Rückspiel in der heimischen Commerzbank Arena.
Auffallend positiv ist, dass die meisten Menschen, die meinem Freund und mir im Stadion begegnen sehr hilfsbereit und freundlich sind und viel Rücksicht auf mich und meine Blindheit nehmen.
Dies macht den Besuch in der Veltins-Arena trotz Eintracht-Niederlage zu einer sehr positiven Erfahrung. Ich beschließe in Zukunft häufiger ins Stadion zu gehen und bestelle wenige Tage später Karten für ein Heimspiel der Eintracht.
Aber auch auf Schalke war ich ganz sicher nicht zum letzten mal.

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