Wie Corona das Leben von Blinden beeinflusst

Das Corona-Virus verändert zurzeit das Leben Aller Menschen. Home-Office und Social-distancing sind zu bestimmenden Merkmalen unseres Alltags geworden. Das öffentliche Leben ist quasi zum erliegen gekommen und jeder muss sich wohl oder übel zu Hause beschäftigen.
Doch was bedeutet die Corona-Kriese für blinde Menschen und wie können sie damit umgehen?
Ein Bericht aus meinem Alltag.

Abstandsregeln beachten nur schwer möglich

Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ist das Abstandhalten zu anderen Menschen im öffentlichen Raum. 1,5-2m wird als Mindestabstand empfohlen. Doch für einen blinden Menschen ist es alles andere als einfach auf den Abstand zu den Mitmenschen zu achten.
Anderthalb Meter; das ist in etwa eine Blindenstocklänge. Doch trotzdem fällt es gerade in der Öffentlichkeit schwer Menschen nur mit dem Gehör möglichst genau zu lokalisieren. Wenn sich die Mitmenschen gar nicht oder kaum bewegen ist das Wahrnehmen nahezu unmöglich. Vor allem die Nutzung des ÖPNV oder das Warten in einer Schlange wird so zur fast unlösbaren Aufgabe.
Abhilfe schaffen einzig aufmerksame Mitmenschen, die mir Mitteilen wie groß die Entfernung zwischen ihnen und mir ist.
Zudem ist es schwierig, jemanden zu finden, der mich in der Öffentlichkeit begleitet und mich führt. Besonders wenn ich mich in einem Gebiet nicht gut auskenne suche ich mir eine Begleitperson, bei der ich mich einharken kann, um mich von ihr führen zu lassen. Doch genau dies ist unmöglich, wenn man den Mindestabstand einhalten möchte. Somit bin ich noch mehr auf mich alleingestellt und muss mich ohne sehende Hilfe zu Recht finden. Auch im Supermarkt ist es deutlich schwieriger eine Einkaufsbegleitung zu bekommen.

_ Berührungsverbot von Gegenständen in der Öffentlichkeit sorgt für Einschränkungen bei der Orientierung_
Immer wieder wird in den Medien davon gesprochen, dass sich die Corona-Bakterien auf einigen Oberflächen von Gegenständen mehrere Tage halten können. Deshalb wird dringend davon abgeraten Gegenstände wie Haltegriffe oder Metalloberflächen zu berühren.
Gerade die Berührung von Gegenständen ist für viele blinde Menschen jedoch wichtig, um sich zu orientieren. Suche ich beispielsweise in der Bahn nach einem Sitzplatz bleibt mir gar nichts anderes möglich, als die Sitze und Haltegriffe zu berühren. Ähnlich sieht es mit der Orientierung in Geschäften oder draußen aus. Egal ob ein Geländer an einer Treppe, Blindenschriftmakierungen an Aufzügen und Aufgängen zu Gleisen am Bahnhof oder das Abtasten einer Wand um eine Tür oder ein anderes Orientierungsmerkmal zu suchen; all das ist durch das Berührungsverbot kaum noch möglich.
In meinem Leben spielt sich ein großer Teil über die Haptik, also das ertasten meiner Umgebung ab. Natürlich kann man sich mit dem Tragen von Handschuhen gegen das Virus schützen, jedoch ist das Erfühlen dann nur noch eingeschränkt möglich. Eine Blindenschriftmakierung wird mit normalen Handschuhen beispielsweise unlesbar.

_ Verringertes Angebot im ÖPNV macht blinde weniger mobil _
Seit dem in Deutschland das öffentliche Leben nahezu zum Stillstand gekommen ist wurde auch der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) spürbar reduziert.
Dies bedeutet für mich ebenfalls eine starke Einschränkung in meinem Leben, da Blinde Menschen besonders stark auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind. Zwar birgt das Fahren mit Bus oder Bahn ein erhöhtes Ansteckungsrisiko, jedoch gewährleistet einzig ein stabiler Nahverkehr eine gute Mobilität. Da ich nicht auf Auto oder Fahrrad umsteigen kann muss ich mit den deutlichen Mobilitätsbeschränkungen leben.
Einzig eine Taxifahrt wäre möglich, jedoch sind auch diese eher eingeschränkt verfügbar und zudem um ein vielfaches teurer als die Bahnfahrt.

Social-Distancing als größte Herausforderung
AbstandHalten, nichts in der Öffentlichkeit anfassen oder die Einschränkungen in der Mobilität sind für sich genommen schon große Herausforderungen, doch am schwierigsten sind für mich die Kontaktbeschränkungen, die unser Leben seit einigen Wochen stark beeinflussen. Am schwierigsten deshalb, weil diese Regelungen neben den Herausforderungen für meine Blindheit auch noch eine soziale Komponente haben.

Wie bereits erwähnt ist es zurzeit schwierig Menschen zu finden, die mich Führen oder beim Einkaufen helfen. Darüber hinaus ist es nicht einfach auf Treffen mit Familie und Freunden zu verzichten. Um nicht ganz in der Isolation zu versinken gibt es ja einige Möglichkeiten, um auf digitalem Wege den Kontakt aufrechtzuerhalten. Doch leider sind vieles davon für mich nicht oder nur erschwert nutzbar, da viele Plattformen nicht mit meinem Laptop oder iPhone mit Sprachausgabe bedienbar sind.
Viele Menschen schicken sich zur Zeit Videos oder Fotos ihrer Aktivitäten im Home-Office zu. Bilder und Videos sind für mich allerdings nur selten zugänglich. Besser sind hier Sprachnachrichten oder Telefonate, da ich so auch die Stimme des Gesprächspartners wahrnehmen kann.
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_ Nicht alles ist schlecht _

Trotz der vielen Hindernisse, die die aktuelle Zeit mit sich bringt ist längst nicht alles schlecht und aussichtslos. Sehr positiv nehme ich der Zeit wahr, dass sich viele Menschen erkundigen, wie ich als blinde Person die Kriese bewältige und wie man mir helfen kann. Auch in der Öffentlichkeit reagieren die meisten Leute sehr verständnisvoll auf meine Blindheit.
Mit Familie oder Freunden zu telefonieren tut mir gerade sehr gut und gibt mir viel Energie.
Die Corona-Kriese hat für blinde Menschen einige besondere Herausforderungen, ist jedoch für mich zu bewältigen.

1 Kommentar

  1. Petra zenz sagt:

    Hallo und guten morgen Endlich mal jemand der es auf den Punkt bringt u sagt wie es uns damit geht, da ich selber betroffen bin, wir haben jeden Tag zu kämpfen das alles gut geht ,das wir unser Leben meistern u einigermaßen in der Öffentlichkeit zurechtkommen. Jeder der gesund ist sollte mal darüber nachdenken wie er in soeiner Ausnahme zurecht kommt! Viele würden gar nicht damit klar kommen u gleich aufgeben! Egal ob man blind ist oder im Rolli sitzt: Wir sind genau so Menschen wie gesunde!Haben genauso das Recht auf Leben, Glück u Freude . Denkt mal darüber nach für die Zukunft ob es nicht manchmal besser ist einem behinderten Menschen zu helfen statt unangebrachte,beleidigende Äußerungen fallen zu lassen! Jeder geschafte Tag ohne Unfall bedeutet für uns: geht nicht gibt es nicht!!! Vielleicht gibt es ja dank Corona mal Menschen die darüber nachdenken……….wäre nicht schlecht und nur von Vorteil für jeden…..😔

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