Am Sonntagabend bin ich in Darmstadt angekommen – meinem neuen Zuhause. Als ich die Tür hinter mir geschlossen habe und in meiner noch halb vollen Wohnung stand, war da ein tiefer Atemzug. Ein Seufzer zwischen Erschöpfung und Erleichterung. Die letzten Wochen waren anstrengend, voller Kisten packen, Organisieren, Verabschieden. Und jetzt sitze ich hier, in einer fremden, noch neuen Wohnung – und doch spüre ich: das hier könnte wirklich ein Ort werden, an dem ich zur Ruhe komme.
Die erste Nacht in einer neuen Wohnung fühlt sich immer besonders an. Es riecht noch anders, man hört neue Geräusche, Straßen, Stimmen, Vögel. Alles ist ungewohnt. Und gleichzeitig habe ich schon in den ersten Stunden gemerkt: es liegt eine Wärme über diesem Ort. Meine Wohnung ist zwar noch nicht komplett eingerichtet, aber sie trägt schon meinen Herzschlag. Als erstes habe ich meine Instrumente aufgestellt. Sie haben für mich einen festen Platz in meinem Leben, und auch in meiner Wohnung sollen sie sichtbar und fühlbar da sein – so, dass sie Teil meines Alltags sind. Meine Ukulele und Gitarren lehnen an der Wand, meine Pandeiros und Cajon sind griffbereit, mein Keyboard wird in der Ecke, wo das Licht der Nachmittagssonne am stärksten auf die Wand fällt stehen und die brasilianischen Samba-Trommeln Tantan werden so aufgestellt, dass sie jederzeit bereit für eine Sambasession sind. Musik ist für mich kein Beiwerk. Musik ist Atem. Musik ist Gebet. Musik ist das, was selbst dann trägt, wenn Worte fehlen.
Darum habe ich auch sofort meine Boxen aufgestellt. Ich wollte, dass von Anfang an Musik durch diese Räume klingt, ganz egal, ob Samba, Bossa Nova Afrobeats, Worship Songs oder entspannte Ukuleleklänge, irgendwie wird eine Wohnung für mich erst dann heimisch, wenn sie von Musik erfüllt ist. Heute Morgen habe ich schon die ersten Worship-Songs laufen lassen, und in dem Moment, als die ersten Töne durch mein neues Zuhause hallten, habe ich gespürt: Hier darf Freude wohnen. Hier darf Hoffnung klingen. Hier darf auch Schmerz Platz haben, aber er soll nicht das letzte Wort haben.
Wenn man blind ist, dann bedeutet ein Umzug noch einmal eine ganz besondere Herausforderung. Für Sehende ist es selbstverständlich, sich einfach umzusehen, nach Orientierungspunkten zu schauen, Straßenschilder zu lesen. Für mich ist das nicht möglich. Ich muss Wege erfühlen, mich an Geräuschen orientieren, mich langsam herantasten. Gestern habe ich schon den Weg zum nächstgelegenen Parkerkundet, die Straßenbahnhaltestelle gesucht und versucht, mir die ersten Eindrücke von meiner Nachbarschaft zu machen. Das kostet Kraft, aber es gibt mir Sicherheit. Schritt für Schritt baue ich mir meine eigenen inneren Stadtpläne. Und ich merke: die Menschen hier machen es mir leicht. Schon in den ersten Begegnungen spürte ich eine Herzlichkeit, die mir in Berlin oft gefehlt hat. Da hat mir jemand sofort geholfen, die richtige Straße zu finden, eine andere bot mir an, mich ein Stück zu begleiten, während wieder andere Menschen mir beim ankommen, am Bahnhof halfen den richtigen Bus zu finden und meine Koffer ein wenig trugen. Kleine Gesten, die für mich große Bedeutung haben.
Darmstadt fühlt sich jetzt schon anders an. Entspannter. Weniger hektisch. Herzlicher. Ich war in den letzten Jahren viel in Großstädten unterwegs, Berlin hat mir manches geschenkt, aber es hat mich auch viel Kraft gekostet. Darmstadt wirkt dagegen wie ein Ort, an dem man nicht untergeht, sondern ankommt. Ich spüre jetzt schon: Hier könnte wirklich Heimat wachsen. Nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt.
Und natürlich spielt mein Hintergrund dabei eine Rolle. Ich bin Hesse – das bleibt. Auch wenn ich in Brasilien geboren bin, auch wenn ich in vielen Städten gelebt habe, spüre ich in Hessen immer eine besondere Vertrautheit. In Darmstadt habe ich das Gefühl: hier schlägt mein Herz nicht gegen die Wände, sondern findet Resonanz. „Einmal Hesse, immer Hesse“ – das gilt in Gießen, Herborn, Marburg oder Kassel. Und es gilt jetzt auch in Darmstadt.
Mein Umzug ist aber nicht nur ein privates Kapitel, sondern auch der Start eines ganz neuen Lebensabschnitts. Ich beginne meine Arbeit bei der Stadtmission Darmstadt. Ab September werde ich dort als Teil meines dualen Theologiestudiums mitarbeiten – in Projekten, in Begegnungen mit Menschen, mitten im Alltag dieser Stadt. Und gleichzeitig setze ich mein Studium an der Evangelischen Hochschule Tabor fort. Beides zusammen – die Praxis hier vor Ort und das Studium – sind mein Weg, um mich intensiv auf meinen Berufswunsch vorzubereiten: Pastor zu werden. Für mich ist das keine berufliche Entscheidung wie jede andere. Es ist ein Ruf, eine Berufung, ein Lebensweg. Ich möchte predigen, Menschen begleiten, Seelsorger sein, Brückenbauer. Ich möchte Gemeinden prägen, nicht durch Perfektion, sondern durch Echtheit und durch den Glauben, dass Gott mitten in den Brüchen unseres Lebens da ist.
Mein Zuhause in Darmstadt soll genau das widerspiegeln. Es ist nicht nur ein Ort für mich allein, sondern ich wünsche mir, dass es ein Ort der Begegnung wird. Ein Ort, an dem Gäste willkommen sind, an dem Menschen spüren: hier ist Wärme, hier ist ein Platz für dich, hier darfst du sein, wie du bist. Ich sehe schon vor mir, wie Freunde und Nachbarn an meinem Tisch sitzen, wie wir zusammen essen, lachen, beten, Musik machen. Ich wünsche mir, dass meine Wohnung ein Raum der Geborgenheit wird – für mich und für andere.
Genau mit diesen Gedanken im Herzen habe ich auch meine neue Podcast-Folge aufgenommen. Es ist meine erste Aufnahme aus dem neuen Home-Studio in meiner Wohnung in Darmstadt. Schon das alleine macht sie für mich besonders. Ich erzähle darin, wie es sich anfühlt, hier anzukommen. Von den Herausforderungen, die ein Umzug mit sich bringt, von den Unsicherheiten und der Freude, die in einem Neuanfang liegen. Ich erzähle von den ersten Schritten in dieser Stadt und davon, was es bedeutet, wenn man spürt: Gott ist mitten im Umbruch dabei.
Ein Vers aus Josua begleitet mich dabei besonders: „Sei stark und mutig, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir, wohin du auch gehst“ (Josua 1,9). Dieser Vers ist für mich wie ein Schlüssel. Er erinnert mich daran, dass ich nicht allein gehe. Auch wenn vieles neu ist, auch wenn noch nicht alles klar ist – Gottes Nähe ist da. Sie trägt. Sie gibt mir Mut, nach vorne zu schauen, auch wenn ich den Weg nicht sehe.
Und genau diese Ermutigung möchte ich in meiner neuen Folge weitergeben. Vielleicht bist du selbst gerade in einem Umbruch. Vielleicht hast du das Gefühl, dass dir alles zu viel wird, oder dass du nicht weißt, was die nächsten Schritte sind. Dann ist diese Folge für dich. Es ist eine Einladung, ehrlich hinzuschauen, zuzugeben, dass Veränderungen manchmal Angst machen – und gleichzeitig zu entdecken, dass Gottes Gegenwart größer ist als unsere Angst.
Du findest meinen Podcast „Blind Geglaubt“ wie immer auf Spotify, Apple Podcasts und überall, wo es Podcasts gibt. Ich lade dich von Herzen ein, reinzuhören. Vielleicht findest du darin ein Stück Trost, vielleicht auch neue Hoffnung oder die Kraft, deinen nächsten Schritt zu gehen. Und wer weiß – vielleicht fühlst du dich dann auch ein kleines Stück so, als würdest du mit mir gemeinsam in dieser neuen Wohnung in Darmstadt sitzen, mit Musik im Hintergrund, mit offenen Türen, und mit dem Wissen: wir sind auf dem Weg – und Gott geht mit.